Regeln für Bürgerräte

Fast alle Parteien sind sich einig, dass zufällig geloste Bürgerräte auf Bundesebene verankert werden sollen. Auch die Verwaltung des Bundestages empfiehlt dies. Aber wie soll das geschehen?

Beteiligungsexpertinnen und -experten des Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) Potsdam sowie des Instituts für Demokratie- und Partizipationsforschung (IDPF) der Bergischen Universität Wuppertal haben Vorschläge dazu entwickelt, wie die Regeln für bundesweite Bürgerräte aussehen sollen. In einer Auswertung des Anfang 2021 durchgeführten Bürgerrates „Deutschlands Rolle in der Welt“ kommen die Institute zu dem Schluss, dass Bürgerräte ein geeignetes Verfahren für die kooperative und konstruktive Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern auf Bundesebene sind, sofern eine Reihe von Bedingungen erfüllt sind. Dazu gehören die Einbindung politischer Akteurinnen und Akteure, eine Anbindung an Gesellschaft und Medien, eine große Meinungsvielfalt, eine geeignete Themenauswahl und Schwerpunktsetzung, eine geeignete Einbindung des Wissens von Expertinnen und Experten, eine ausgeprägte Beratungskultur sowie ausreichende finanzielle und zeitliche Ressourcen.

Handreichung

In einer Handreichung wird begründet, warum geloste Bürgerräte eine sinnvolle Ergänzung zur repräsentativen Demokratie sind. Außerdem werden Empfehlungen an die Politik zur Einführung losbasierter Bürgerräte auf Bundesebene formuliert. Die Grundannahme dabei: Das politische System der Bundesrepublik wurde seit den 70er Jahren nur minimal verändert und bedarf angesichts großer gesellschaftlicher Veränderungsprozesse einer Anpassung. Ein stärkerer Austausch der politischen Institutionen mit der Bevölkerung und neue Formen dafür sind notwendig.

Die Handreichung empfiehlt, beim Bundestag eine Organisationseinheit Partizipative Demokratie einzurichten. Sowohl die Politik als auch die Zivilgesellschaft sollten Bürgerräte anstoßen können. Das Thema sollte politisch relevant und brisant sein und diverse Handlungsmöglichkeiten bieten. Außerdem werden Vorschläge zum Losverfahren, zur Moderation, zum Input von Expertinnen und Experten, zur Einsetzung und Koordination von Bürgerräten sowie zu deren Evaluation gemacht. Auch gibt es Hinweise zum Umgang mit Bürgerrat-Ergebnissen, zur Verstetigung der Nutzung dieses Demokratie-Instruments und zu dessen Einbettung in die parlamentarischen Verfahren.

Rechtsgutachten

Prof. Dr. Jan Ziekow von der Universität Speyer hat ein Rechtsgutachten erstellt, um die rechtlichen Rahmenbedingungen des Tätigwerdens von losbasierten Bürgerräten in ergänzender Funktion zur Arbeit des Deutschen Bundestages zu überprüfen. Danach sind drei Formen der Einleitung von Bürgerräten denkbar:

a) Initiierung durch das Parlament

b) Initiierung durch die Bundesregierung

c) Initiierung durch die Bürgerschaft/Bürgerrat-Initiative

Ergebnisse: Die Initiierung von Bürgerräten durch den Bundestag ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Bürgerräte können aber keine für das Parlament bindende Wirkung entfalten. Per Gesetz oder Geschäftsordnung kann aber eine Befassung des Parlaments mit Bürgerrat-Ergebnissen und eine Verpflichtung zur Stellungnahme zum Verfahrensstand und zur Art der Umsetzung geregelt werden. Ein Bericht an die Bürgerrat-Mitglieder darüber, was warum umgesetzt wurde, bedürfte dagegen einer Verfassungsänderung.

Eine Bürgerrat-Initiative aus der Bevölkerung könnte für den Bundestag nicht verpflichtend (danach KANN ein Bürgerrat durchgeführt werden) oder verpflichtend (danach MUSS ein Bürgerrat durchgeführt werden) sein. Eine nicht verpflichtende Bürgerrat-Initiative („mit Impulswirkung“) macht ähnlich wie eine Petition einen Vorschlag. Das Verfahren muss nicht im Grundgesetz verankert werden. Die Bürgerrat-Initiative könnte per Richtlinie, Regelung in der Geschäftsordnung des Bundestags oder Gesetz veranlasst werden.

Für eine Bürgerrat-Initiative erscheint eine Hürde von 200.000 Unterschriften angemessen, da es nicht um eine Sachempfehlung (wie bei einer Volksinitiative) geht, sondern erst einmal nur um deren Vorbereitung. Eine verpflichtende Bürgerrat-Initiative müsste im Grundgesetz verankert werden. Sie sollte von der notwendigen Unterschriftenzahl unter der eines Volksbegehrens liegen, aber über der einer nicht-verbindlichen Bürgerrat-Initiative. Hier scheinen 500.000 Unterschriften angemessen.

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