Politiker Kuban, Miersch und Meyer sehen Bürgerräte als Chance

09. September 2021

Tilman Kuban (CDU), Matthias Miersch (SPD) und Simone Meyer (Grüne) finden losbasierte Bürgerräte gut - allerdings in unterschiedlichem Maße. Das wurde am Donnerstagabend auf einer Podiumsdiskussion mit den drei Bundestagskandidaten im Wahlkreis Hannover-Land II deutlich.

Politikverdrossenheit, Filterblasen in Social Media, Fake-News, Intoleranz gegenüber anderen Meinungen, Polarisierung, Abscheu gegenüber Kompromissen: In der Analyse der Herausforderungen für die Demokratie waren sich Tilman Kuban, Matthias Miersch und Simone Meyer recht einig. Konsens herrschte auch, dass losbasierte Bürgerräte eine gute Sache seien. In den Details schieden sich jedoch die Geister der drei Bundestags-Kandidaten im Wahlkreis Hannover-Land II. Zur digitalen Debatte geladen hatte der Verein Mehr Demokratie.

Kuban: Zufallsauswahl ist eine große Chance

„Es ist ein sehr wichtiges Thema, Menschen für die Demokratie zu begeistern“, sagte CDU-Bundesvorstand Tilman Kuban insbesondere mit Blick auf Querdenker und Verschwörungstheoretikerinnen. Er wolle auch mit diesen Personengruppen im Gespräch bleiben. Bürgerräte können für ihn dabei hilfreich sein: „Die zufällige Auswahl mit sehr unterschiedlichen Personen bietet eine große Chance“, betonte Kuban. Auf kommunaler Ebene und bei konkreten Projekten seien Bürgerräte ein „super-interessantes Mittel“. Was die Bundesebene betrifft, zeigte Kuban sich ein bisschen skeptisch: Welche Fragestellungen sind geeignet? Wie geht die Politik mit den Vorschlägen um? Nur längerfristig könne er sich vorstellen, Bürgerräte auch auf Bundes- und Landes-Ebene zu institutionalisieren.

Miersch: Bürgerrat mit Volksentscheiden verknüpfen

Die Polarisierung bei Themen wie dem Kohlekompromiss oder der Endlagersuche sei eine Riesenherausforderung, befand Sozialdemokrat Miersch. Im Parlament müssten Kompromisse geschmiedet werden – die würden aber zunehmend nicht akzeptiert. „Wie können wir etwas Gemeinsames formulieren?“, fragte Miersch. Bürgerräte sind für den SPD-MdB „ein Mosaikstein“ der Lösung, wenn auch kein Allheilmittel. „Wir müssen‘s miteinander irgendwie hinkriegen. Deswegen muss sich die parlamentarische Demokratie öffnen. Wir brauchen neue Wege.“ Die kommunale Ebene reicht Miersch im Gegensatz zu Kuban nicht aus: Der neue Bundestag solle „sehr schnell“ ein Thema finden, zu dem er einen Bürgerrat einsetzen wolle. Das „Auftrags-Verhältnis“ zwischen Politik und Bürgerräten müsse aber klar sein. Miersch sagte, er könnte sich vorstellen, über die Vorschläge per Volksentscheid abzustimmen nach irischem Vorbild.

Meyer: Auch Bürgerräte von unten zulassen

Grünen-Kandidatin Meyer hält Bürgerräte für eine „unwahrscheinlich gute Lösung“. Denn die Bürger merkten, wie schwierig es sei, eine politische Entschädung zu fällen. Dieses Verständnis bräuchten wir „ganz dringend“, so die Architektin. Sie plädierte dafür, Bürgerräte rechtlich zu verankern und auch Bürgerräte von unten zu ermöglichen: Nicht nur Politiker, sollten Bürgerräte einsetzen können, sondern auch die Bürger selbst in einer Art Petition. Themenausschlüssen erteilte Meyer eine Absage:  „Ich kann mir Bürgerräte in allen Bereichen vorstellen, denn Bürger können sich in allen Bereichen einarbeiten.“ Gleichwohl zeigte sie sich volksentscheids-skeptisch – mit Blick auf den Brexit.

Bundesweite Diskussionsreihe zu Bürgerräten

Die Debatte fand im Rahmen der bundesweiten „mittendrin mit Bürgerräten“-Reihe von Mehr Demokratie statt. Die Reihe wird getragen von von 40 zivilgesellschaftlichen Organisationen, darunter der Bund der Steuerzahler, der Deutsche Naturschutzring, der Deutsche Städte- und Gemeindebund, die Diakonie Deutschland und Brot für die Welt. Mehr Demokratie wirbt für eine Modernisierung der Demokratie beispielsweise durch bundesweite Volksentscheide, ein neues Wahlrecht und eben auch losbasierte Bürgerräte. Die Aufzeichnung der Veranstaltung finden Sie auf dem Youtube-Kanal von Mehr Demokratie. Der Link zum Video: https://youtu.be/dbcELYtJ2dI

Bürgerräte: Ausgelost werden, diskutieren, einen Kompromiss finden, empfehlen

Bürgerräte können strittige politische Fragen lösen und sie wurden auch in Deutschland erfolgreich erprobt. Die Mitglieder werden zufällig ausgelost. Sie lassen sich von Fachleuten beraten. Sie diskutieren. Und erarbeiten dann Empfehlungen an die Politik. Das funktioniert – selbst bei solch komplexen Themen wie Deutschlands Rolle in der Welt.