Göttingen: Vier Bundestags-Kandidaten sagen „Ja, aber“ zu Bürgerräten
Diskussionsrunde: Die vier Göttinger Bundestagskandidaten Fritz Güntzler (CDU), Jürgen Trittin (Grüne), Andreas Philippi (SPD) und Konstantin Kuhle (FDP) setzen allesamt auf losbasierte Bürgerräte - stellen aber einige Fragen und Forderungen.
Die Göttinger Bundestags-Kandidaten von CDU, Grünen, SPD und FDP wollen losbasierte Bürgerräte als ergänzendes Instrument in der parlamentarischen Demokratie nutzen. Sie sind aber mehrheitlich skeptisch, was die Verbindung von Bürgerräten und Volksentscheiden nach irischem Vorbild betrifft. Das wurde am Freitag Abend auf einer digitalen Podiumsdiskussion mit Fritz Güntzler, Jürgen Trittin, Andreas Philippi und Konstantin Kuhle deutlich. Geladen hatte der Verein Mehr Demokratie, der sich seit 1988 für die Weiterentwicklung der Demokratie einsetzt.
Güntzler: Bürgerräte können eine Chance sein
Christdemokrat Güntzler, seit 2013 Bundestagsabgeordneter, sprach sich für bundesweite Bürgerräte aus. Die Parteien deckten nicht mehr die gesamte Bevölkerung ab. Viele Bürger wollten nicht mehr kontinuierlich in Parteien arbeiten, hätten aber oft Interesse, an konkreten Themen zu arbeiten. Bürgerräte mit ihren konkreten Fragestellungen seien daher eine Chance - „als ergänzendes Instrument“, das der Politik Druck mache. Güntzler sprach sich dafür aus, dass nicht nur der Bundestag, sondern auch die Bevölkerung über die Themen bestimmen solle, die in Bürgerräten behandelt würden.
Trittin: Grüne wollen Bürgerräte gesetzlich verankern
Grünen-Urgestein Jürgen Trittin sprach sich als Einziger in der Runde für eine rechtliche Verankerung der Bürgerräte aus, um sie so zu verstetigen. „Wir Grüne wollen, dass Bürgerräte gesetzlich verankert werden und dafür werden wir uns einsetzen“, betonte Trittin. Insbesondere in der Klimapolitik könnten Bürgerräte „eine wichtige Rolle“ spielen. Wie bleiben wir bei einem Temperaturanstieg unter zwei Grad Celsius – trotz aller Interessenkonflikte? Gerade bei solchen konfliktbeladenen Themen seien Bürgerräte ein „sehr, sehr wichtiges Instrument“, befand Trittin. Entscheiden müsse aber letztlich das Parlament.
Philippi: Bindeglied zwischen Bürgern und Politikern
„Bürgerräte können als Bindeglied zwischen Bürgern und Politikern wirken“, sagte SPD-Kandidat Dr. Andreas Philippi. Sie könnten ein „ganz, ganz wichtiges Instrument“ sein, wenn es gelte, die Demokratie weiter zu entwickeln. Allerdings müsse sichergestellt sein, dass sie Wirkstoff und nicht Placebo seien, forderte der Arzt. Den Mehrwert einer gesetzlichen Verankerung von Bürgerräten könne er allerdings nicht erkennen.
Kuhle: Sinnvolle Ergänzung der Demokratie
In Onlinedebatten verschafften sich vor allem die Lauten und weniger Sanften Gehör. In Bürgerräten werde aber von Angesicht zu Angesicht debattiert, betonte FDP-Kandidat Konstantin Kuhle, innenpolitischer Sprecher der liberalen Bundestagsfraktion im aktuellen Bundestag. Bürgerräte können daher „eine sinnvolle Ergänzung der parlamentarischen Demokratie sein, so Kuhle. Allerdings müsse die Fragestellung stimmen: Von den Empfehlungen des Bürgerrats „Deutschlands Rolle in der Welt“ zeigte der FDP-Politiker sich enttäuscht. Sie seien zu wenig konkret gewesen, während er mit dem Bürgergutachten des Bürgerrats Klima mehr habe anfangen können. Kuhle regte zudem Treffen ausgeloster Bürger mit Politikern an.
Bundesweite Diskussionsreihe
Die digitale Diskussion fand im Rahmen der bundesweiten „mittendrin mit Bürgerräten“-Reihe von Mehr Demokratie statt. Der Verein wirbt für eine Modernisierung der Demokratie beispielsweise durch bundesweite Volksentscheide, ein neues Wahlrecht und eben auch losbasierte Bürgerräte. Die Aufzeichnung der Veranstaltung können Sie auf Youtube ansehen: http://www.youtube.com/watch?v=EW9ouE1fgT0
Mehrheit der Wähler will Bürgerräte
Sollten auf Bundesebene Bürgerräte verankert werden, in denen ausgeloste Bürgerinnen und Bürger Empfehlungen an die Politik ausarbeiten? In allen 299 deutschen Wahlkreisen bejaht eine Mehrheit diese Frage, meist mit absoluter, selten mit bloß einfacher Mehrheit. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Markt- und Meinungsforschungs-Instituts Civey, an der bundesweit 20.000 Personen teilnahmen.
Bürgerrat: Ausgelost werden, beraten, empfehlen
Für einen bundesweiten Bürgerrat wird eine Gruppe von rund 150 Menschen ausgelost, die die Bevölkerung in ihrer ganzen Vielfalt abbildet. Der Bürgerrat trifft sich an mehreren Terminen und berät über eine politische Frage. Er hört sich die Meinungen von Fachleuten an, beschließt Empfehlungen und legt diese der Politik vor. Die letztliche Entscheidung treffen weiterhin die Parlamente. Denkbar ist aber auch eine Verknüpfung des Bürgerrats mit direkt-demokratischen Verfahren, also Bürger- respektive Volksentscheiden.
Bisher drei bundesweite Bürgerräte
Sie waren ein voller Erfolg: Die ersten drei bundesweiten Bürgerräte, organisiert oder begleitet vom Verein Mehr Demokratie und durch Spenden sowie Stiftungsgelder finanziert. Dabei ging es um Themen wie Deutschlands Rolle in der Welt, die Stärkung der Demokratie oder die deutsche Klimapolitik. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble fungierte einmal als Schirmherr. Sein Resümee: „Diese besondere Form der Beteiligung kann das Vertrauen in die Politik stärken und der repräsentativen Demokratie neue Impulse geben.“
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... und unserer Kampagne "mittendrin mit Bürgerräten" erfahren Sie hier: mittendrin.buergerrat.de
Die Diskussion zum Nachschauen finden Sie hier.