Heilbronn: Wähler mehrheitlich für Bürgerräte, Politiker nicht
Das ist ungewöhnlich: In Heilbronn sprechen sich die Bundestags-Kandidaten von CDU und SPD in einer digitalen Diskussion gegen die rechtliche Verankerung losbasierter Bürgerräte aus. Nur die Grüne Isabell Steidel befürwortet das relativ neue Beteiligungs-Instrument – und die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger im Wahlkreis.
Die Bürger im Wahlkreis Heilbronn sind mehrheitlich für ein Demokratie-Update mit losbasierten Bürgerräten: 53,8 Prozent sagen Ja 32,1 Prozent Nein, so das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungs-Instituts Civey, für die bundesweit 20.000 Personen befragt wurden. Doch die Bundestagskandidaten von CDU und SPD sehen das anders: Sowohl Alexander Throm als auch Josip Juratovic sprachen sich am Montagabend auf einer Podiumsdiskkussion des Vereins Mehr Demokratie e.V. gegen die rechtliche Verankerung losbasierter Bürgerräte aus.
Christdemokrat Throm wertete Bürgerräte, von denen sich sein Parteifreund Wolfgang Schäuble „neue Impulse für die repräsentative Demokratie“ erhofft, als eine Art Angriff auf den Parlamentarismus: Wenn man davon ausgehe, dass ein Bürgerrat faktenbasiert Lösungen schaffe, dann überhöhe man dieses Gremium und stelle „die Wertigkeit unserer repräsentativen Demokratie, einer Parteiendemokratie, in Frage“.
SPD-Mitbewerber Juratovic sagte, Bürgerräte könnten als Ergänzung sinnvoll sein. „Ein Problem habe ich ein bisschen mit der Institutionalisierung“, sagte der Sozialdemokrat. Er sei aber kein entschiedener Gegner.
Lediglich Grünen-Kandidatin Isabell Steidel zeigte sich in der Debatte bürgerratsfreundlich: „Bürgerräte stärken die repräsentative Demokratie und die Repräsentanz.“ Ein Bürgerrat hebele die repräsentative Demokratie nicht aus, sondern ergänze sie sinnvoll. „Wir sollten mutig sein und neue Dinge wagen“, forderte die Grünen-Politikerin.
Bundesweite Diskussionsreihe
Die Debatte fand im Rahmen der bundesweiten „mittendrin mit Bürgerräten“-Reihe von Mehr Demokratie statt. Auf den bisherigen Veranstaltungen sprachen sich SPD-Kandidaten stets und CDU- sowie CSU-Kandidaten mehrheitlich für losbasierte Bürgerräte aus. Mehr Demokratie wirbt für eine Modernisierung der Demokratie beispielsweise durch bundesweite Volksentscheide, ein neues Wahlrecht und eben auch losbasierte Bürgerräte. Die Aufzeichnung der Heilbronner Veranstaltung können Sie auf Youtube ansehen. Der Link: https://www.youtube.com/watch?v=KyH4pIOHYEo
Nicht nur in Heilbronn: Wähler-Mehrheit will Bürgerräte
Sollten auf Bundesebene Bürgerräte verankert werden, in denen ausgeloste Bürgerinnen und Bürger Empfehlungen an die Politik ausarbeiten? In allen 299 deutschen Wahlkreisen bejaht eine Mehrheit diese Frage, meist mit absoluter, selten mit bloß einfacher Mehrheit. Das geht aus der eingangs zitierten Civey-Umfrage hervor.
Bürgerrat: Ausgelost werden, beraten, empfehlen
Für einen bundesweiten Bürgerrat wird eine Gruppe von rund 150 Menschen ausgelost, die die Bevölkerung in ihrer ganzen Vielfalt abbildet. Der Bürgerrat trifft sich an mehreren Terminen und berät über eine politische Frage. Er hört sich die Meinungen von Fachleuten an, beschließt Empfehlungen und legt diese der Politik vor. Die letztliche Entscheidung treffen weiterhin die Parlamente. Denkbar ist aber auch eine Verknüpfung des Bürgerrats mit direkt-demokratischen Verfahren, also Bürger- respektive Volksentscheiden.
Bisher drei bundesweite Bürgerräte
Sie waren ein voller Erfolg: Die ersten drei bundesweiten Bürgerräte, organisiert oder begleitet vom Verein Mehr Demokratie und durch Spenden sowie Stiftungsgelder finanziert. Dabei ging es um Themen wie Deutschlands Rolle in der Welt, die Stärkung der Demokratie oder die deutsche Klimapolitik. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble fungierte einmal als Schirmherr. Sein Resümee: „Diese besondere Form der Beteiligung kann das Vertrauen in die Politik stärken und der repräsentativen Demokratie neue Impulse geben.“
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... und unserer Kampagne "mittendrin mit Bürgerräten" erfahren Sie hier: https://mittendrin.buergerrat.de